Unser Dorfplatz Annenwalde, Vorwerk Annenwalde, Densow, Alt und Neu Placht
 Unser DorfplatzAnnenwalde, Vorwerk Annenwalde, Densow, Alt und Neu Placht

14: Ein Kapitel über Glassiegel

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[14.] Ein Kapitel über Glassiegel

 

In allen Kunstgewerbemuseen finden wir als besondere Attraktion geschliffene und geschnittene Gläser aus Kristallglas.

So befinden sich Museum auf der Schloßinsel in Köpenick besonders solche Gläser, wie sie im. 17./18.Jahrhundert in den Hütten von Potsdam und Zechlin hergestellt wurden. Die Er­zeugnisse dieser Hütten, zusammen mit der Arbeit der Glas­schneider, die ganze Geschichten in die Gläser einarbeiteten, standen in den Schlössern der Fürsten. So sind sie meist bis in unsere Tage erhalten geblieben. Sie sind Gegenstand der Betrachtungen der Kunsthistoriker bis heute. In prächtigen Abbildungen können wir solche Gläser in kunstwissenschaftli­chen Werken bewundern. Standardwerk hierfür ist das 1914 er­schienene Buch von Robert Schmidt: Brandenburgische Gläser. Neben den berühmten Hütten von Potsdam und Zechlin gab es aber im Lande Brandenburg eine ganze Anzahl sogenannter Wald­glashütten, die nur gewöhnliche Flaschen und Gläser aus einem einfachen grünen Glas herstellten. Ihre Erzeugnisse waren Gebrauchs- und keine Kunstgegenstände. Es ist daher nicht ver­wunderlich, daß wir derartige, volkskundlich doch auch wichtige Erzeugnisse in unsern Museen kaum finden. Im Schloßmuseum in Eisenach ist in einem Zimmer die Einrichtung einer alten Apo­theke mit allen damals gebräuchlichen Gläsern, Flaschen, Tiegeln usw. aufgebaut. Dort sah ich auf einem Regal auch eine Reihe solcher etwa 10 cm hoher grüner Gläser, wie ein Stück auch im Volkskundemuseum in Templin ausgestellt ist.
Dieses letztgenannte Glas ist in der Annenwalde Hütte herge­stellt worden und war in der Sammlung der dortigen Schule aufbewahrt. Weitere Stücke, die sich noch dort befanden, sind leider in den letzten Jahren verschwunden. Dagegen sind Fla­schen, die nachweislich in Annenwalde oder einer benachbarten Hütte hergestellt wurden, nicht bekannt. Flaschen, die in die­sen Waldglashütten erzeugt wurden, sind an zwei Merkmalen sicher auszumachen: einmal weist, das grüne Glas eine erhebliche Menge Schlieren (Luftbläschen) auf. Zum andern ist der Mün­dungsfaden am Flaschenhals damals erst nachträglich auf die fertige und noch heiße Flasche aufgelegt worden. (S. Skizze umstehend) Unter Umständen können wir sogar Ort und Jahr der Herstellung feststellen, wenn diese Flasche noch das

 

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Glassiegel aufweist. Es sind das meist kreisrunde Glasstücke

am Beginn des Flaschenhalses, auf denen der Name der Hütte, oft das der Herstellung, meist noch Nummern und Buchstaben eingeprägt sind. Aber Flaschen mit solchen Siegeln sind sehr selten. Mir ist bisher nur eine bekannt, die sich im Templiner Museum befindet. Sie kommt gleichfalls aus der Annenwalder Schulsammlung, ist aber kein Erzeugnis der dortigen Hütte. Wie das Siegel ausweist, ist diese Flasche in Globsow hergestellt worden. Von Herrn Professor Richter in Eberswalde erhielt ich (Januar 1976) ein Foto, das eine 1739 in Chorin (Senftenhütte) hergestellte Flasche mit Siegel zeigt. Er be­richtete mir auch, daß sich eine Flasche gleicher Form und Größe von 1755 im Märkischen Museum in Berlin befände. Ich habe die letztgenannte Flasche noch nicht gesehen. Wie das Foto aber ausweist, sind das keine Flaschen von der üblichen dunkelgrünen, dickwandigen Art. Sie haben schon eine ge­schmackvollere Form und sind anscheinend sehr dünnwandig. Hinzufügen muß ich noch, daß sich die Flasche von 1739 im Kunstgewerbemuseum in Köln befindet. (Umrißzeichnung siehe nebenstehend.)

Wenn ganze Flaschen mit einem Siegel leider eine Seltenheit sind, so sind Scherben mit völlig oder teilweise erhaltenem Siegel recht häufig. Solche Siegel oder Stempel finden sich im Märkischen Museum, im Museum für Vor-und Frühgeschichte in Charlottenburg, in den Museen in Templin, Angermünde, Neustrelitz, Schwerin, Neuruppin und bei 3 mir bekannten Privatsammlern in Eberswalde. Ich schätze die Zahl der dort vorhandenen ver­schiedenen Stempel auf 400. Allein von der Annenwalder Hütte lassen sich bis jetzt 92 verschiedene Siegel nachweisen. Da­von befinden sich 49 Stück in meiner dem Templiner Museum über­eigneten Sammlung. Daneben haben wir hier noch Siegel aus den Hütten Alt Placht, Burgwall, Chorin, P[?]ellen (Gr. Dölln), Friedrichsthal, Globsow, Grimnitz, Hammer, Krumbeck, Lotzen und Zechlin. Es fehlen Siegel aus Pian, Conow, Paren und Wrechen.

Zur Herstellung der Siegel benutzten die Glasmacher ein Petschaft. Auf die noch warme Flasche wurde eine bestimmte Men­ge von der Glasschmelze gegeben und das Petschaft da hinein­gedrückt. Herr Dr. Friese aus Eberswalde hat auf dem Gelände der Choriner Hütte noch solche Petschafte gefunden, von denen eines unbeschädigt ist. Der 6 cm lange Griff ist an seinem verjüngten Ende rechtwinklig umgebogen, und daran befindet sich

 

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die Scheibe mit der spiegelverkehrt eingravierten Inschrift. Hergestellt wurden die Petschafte aus dem gleichen guten Ton, aus dem man die Häfen zum Schmelzen der Glasmasse formte. Von diesen Häfen finden sich nur noch Bruchstücke. Die Wände dieser Häfen waren etwa 20-22 cm dick. Der zur Herstellung benötigte Ton wurde über Hamburg aus Holland eingeführt. Schon 1755 beantragt Zimmermann in Annenwalde einen Frei­paß über 500 Klumpen Ton aus Hamburg. 1756 sind es sogar schon 3000 Klumpen, für die auch 1757 ein Freipaß ausgestellt wird. (Staatsarchiv Potsdam D 4758 "Acta wegen der jährli­chen Zollfreyen Päße auf Glaß und Materialien vor die Glaß Hütte zu Annenwalde" Blatt 2 und 21).

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Glassiegel ergeben sich eine Reihe von Fragen. Auf einige möchte ich eingehen.

1. Welche Inschriften hatten die Glassiegel? Ich hatte schon gesagt, daß zunächst der Name des Hüttenortes eingeprägt war. Dann finden zumeist das Jahr, in dem das Erzeugnis produziert worden war. Für Annenwalde stammt das älteste Siegel aus dem Jahre 1755, dem Jahr, in dem dort mit der Produktion begonnen wurde. Soweit ich datierte Siegel habe, gebe ich nachstehend eine Übersicht über das mir bekannte jeweils älteste und jüngste Siegel der betreffenden Hütte. In Klammern habe ich die Zeit angegeben, in der die Hütte existierte.

 

   

Annenwalde

1755

1816

(1754-1865)

   

Chorin

1747

1755

(1705-1772)

   

Friedrichsthal

 

1810

(1739-1842)

   

Globsow

 

1813

(1752-1573)

   

Grimnitz

1747

1772

(1653-1792)

   

Hammer

 

1816

(1749-)

   

 

 

 

 

 

Die dritte Angabe war meist eine Nummer. Bei Annenwalde

geht das in mehreren Jahren bis zur Nummer 12. So sind z.B. aus dem Jahre 1771 die Nummern 5, 7, 10, 11, 12 und aus dem Jahre 1792 die Nummern 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 bekannt. Wenn ich annehme, daß mit der Nummer der betreffende Artikel entsprechend einer Art Produktionskatalog der betreffenden Hütte bezeichnet worden ist, so ergibt sich schon daraus, daß die Siegel nicht nur für Flaschen bestimmt gewesen sein können. Denn es ist unwahrscheinlich, daß man etwa 1771 in Annenwalde mindestens 12 verschiedene Sorten bzw. Größen von Flaschen hergestellt habe. Sind aber schon Flaschen mit

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Siegel eine große Seltenheit, so sind m. W. andere Hüttenprodukte mit Siegel überhaupt nicht bekannt.

Auf einer größeren Anzahl von Siegeln finden wir über der Ortsangabe Annenwalde noch recht groß einen Buchstaben. In diesem Falle fehlt dann die vorerwähnte Nummer. Mir sind Stempel mit den Buchstaben A, B, C, D, F, G, H und K vorgekommen.
Hier hatten die Buchstaben wohl die gleiche Aufgabe wie die Nummern. Außer diesen meist größeren Einzelbuchstaben finden sich auch in zumeist kleinerer Ausführung noch zwei oder so­gar drei Buchstaben. Es wird angenommen, daß diese Buchsta­ben die Anfangsbuchstaben vom Vor- und Zunamen des jeweiligen Vicemeisters waren. In einer Verordnung von Mecklenburg-­Strelitz (ich komme darauf noch zurück) wird das sogar vor­geschrieben. Nun sind von Annenwalde die Namen der meisten Vicemeister bekannt. Aber die Anfangsbuchstaben dieser Na­men stimmen mit den Buchstaben auf den Siegeln nicht über­ein.

Ab 1785 zeigen die Annenwalder Siegel im oberen Drittel den preußischen Adler. Die Zeichnungen in den einzelnen Jahren weisen nur ganz geringe Unterschiede auf. Aber auf drei Sie­geln (einer von 1815, zwei ohne Jahreszahl) schaut dieser Adler über seinen linken Fittich, während er sonst seinen Kopf nach rechts gewendet hat. Hier dürfte wohl ein Fehler des Stempelschneiders vorliegen. In genau gleicher Ausführung wie sonst bei Annenwalde (Kopf nach rechte) finde ich den Adler auf Siegeln von Globsow, Hammer und Friedrichsthal. Von der Hütte in Alt Placht besitze ich nur ein Siegel, das auch den Adler zeigt, aber in einer völlig andern Form. Der preußische Wappenvogel hat die Flügelspitzen nach unten gerichtet, während sie auf dem Plachter Siegel nach oben zeigen. Auch die
sonstige Darstellung ist eine völlig andere.


 

Skizzen umseitig [handschriftlich]


 

Das Plachter Siegel kann frühestens von 1775 stammen. Das Gut Placht wurde erst 1773 geteilt, und die Zunamen Alt und Neu haben sich erst danach eingebürgert.

Bei den Siegeln mit dem Adler findet sich die Jahreszahl rechts und links unter den Flügelspitzen. Statt des Jahreszahl ist teilweise aber auch der Rauminhalt der Flasche angegeben,

 

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meist 1 Q = 1 Quart, das sind 1 1/7 Liter. Je ein Siegel ist noch vorhanden mit der Mengenangabe 3/8 Quart und 3 Quart. Offen bleibt noch die Frage, weshalb der Adler erst so spät auf den Siegeln erscheint, in Annenwalde 30 Jahre nach Beginn der Glasherstellung.

Ebenso vermag ich nicht zu erklären zwei Siegel, bei denen sich die Ortsangabe Annenwalde am oberen Rande befindet und darunter nur ein großes S. Einmal ist das S sogar spiegelverkehrt. (Nr.79 und 8O der Sammlung).

Bei einer Anzahl von Siegeln ist der Hüttenort garnicht angegeben. Sie zeigen oben eine fünfzackige Krone, darunter die Buchstaben PHK und noch darunter B oder IR. Das B könnte für den Hüttenbesitzer Brockes stehen. Aber darüber die Krone? IR pflegt meist Imperator Rex zu bedeuten, also die Bezeich­nung für den König. Aber dann ganz unten und so klein? Wenn auch diese Siegel in Annenwalde gefunden worden sind, so ist damit nicht bewiesen, daß die Produkte, zu denen sie gehörten, in Annenwalde hergestellt worden sind. Ich darf aber viel­leicht davon ausgehen, daß die Produkte mit der Krone für den Gebrauch am königlichen Hofe bestimmt waren. Daß aber Brockes für den Potsdamer bzw. Berliner Hof Glaswaren geliefert hat, darf als bewiesen gelten. Einmal dadurch, daß Brockes aus Potsdam kam. Das wer nicht nur irgendein Glashändler, sondern ein Beauftragter der Regierung, wie sie für jeden Kreis ein­gesetzt waren. (Robert Schmidt, Brandenburgische Gläser S. 27) Die Brockes waren eine recht wohlhabende Familie, sonst hätte der Johann Christoph Brockes dem Zimmermann in Annenwalde nicht soviel Geld leihen können, daß er zum Schluß, um sein Geld zu retten, 1783 Gut und Glashütte Annenwalde käuflich übernehmen mußte. Die Brockes führten sogar ein eigenes Fa­milienwappen. Daß sie zu maßgebenden Stellen des Hofappara­tes Beziehungen hatten und diese nachher ausnutzten, darf man wohl annehmen. Die vielen adligen Besucher, die besonders während der napoleonischen Kriege sich in Annenwalde auf­hielten, deuten auch darauf hin. (s. Seite 217) Ein klarer Beweis für die geschäftlichen Beziehungen zum Hofe ist aber die Tatsache, daß sowohl auf der Pfaueninsel bei Potsdam als auch im Berliner Tiergarten Annenwalder Flaschensiegel ge­funden wurden. Erfahren habe ich von diesen Funden von Herrn Dr. Günter Rau, Mitarbeiter am Museum für Vor- und Früh‑

 

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geschichte in Berlin-Charlottenburg. Die genannten Fundstel­len liegen beide in Westberlin. Er hat über die Ausgrabungen nur auf der Pfaueninsel, bei denen 1972 das Glassiegel gefunden wurde, in der Zeitschrift "Ausgrabungen in Berlin" Heft 3/1972 ausführlich berichtet. Es ging bei diesen Ausgrabungen darum, Reste des Schmelzofens zu finden an dem Johann Kunckel gearbeitet hatte. (s. diese Chronik S.22) Über die Funde zitiere ich aus der genannten Zeitschrift. "In der Nähe des Schlosses fanden sich 1972 bei der Verlegung eines Kabels Scherben von Glas und Keramik des 17. Jahrhunderts, die nur von der Kunckelhütte stammen können. Nicht unbedeutend er­weisen sich die Abfallgruben der Schloßküche. Neben Berliner Porzellan und geschliffenen Kerzenhaltern ist eine Flasche mit Siegel der brandenburgischen Glashütte Annenwalde bei Templin bemerkenswert." Über diese Flasche wird dann weiter gesagt: "Als ältest datierender Fund kann eine Wein­flasche gelten, die ein Siegel der brandenburgischen Hütte Annenwalde trägt, außerdem die Kennziffer No 2. Die olivgrüne Flasche mit gerade abgesprengtem Rand, aufgelegtem Mündungsfaden und aufgewölbtem Boden mit kräftigem Abrißring ist der charakteristische Flaschentyp der Zeit um 1800. Das Siegel ist vergleichbar mit einem Flaschenfund von

Berlin-Tiergarten, der signiert ist '1792 Annenwalde NO 1'."

Soweit dieser Fundbericht.

2. Warum finden wir auf dem Gebiet ehemaliger Glashütten auch die Siegel fremder Hütten?

In Annenwalde sind bisher außer den Siegeln der eigenen Hüt­te auch noch Siegel der auf S. 224 genannten fremden Hütten gefunden worden. Umgekehrt sind in Chorin Annenwalder Sie­gel gesichert worden. Woher die vielen Annenwalder Siegel im Museum Angermünde stammen, ist mir bisher nicht bekannt.

Der Heimatforscher Walter Karbe aus Neustrelitz fand 1948 u.a. in Steinförde bei Fürstenberg/Havel ein Annenwalder Siegel. In Annenwalde ist allerdings kein Siegel einer mecklenburgischen Hütte gefunden worden. Das ergibt sich wohl aus der strengen handelspolitischen Abgrenzung zwischen Brandenburg/Preußen und Mecklenburg im 18. Jahrhundert. Doch zurück zu der obigen Frage. Die Hütten brauchten zur Herstellung der Glasschmelze nicht nur Quarzsand, Holzasche

 

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und Salz, sondern auch Glasbruch. Diese Scherben waren so wichtig, daß dem Herrn Zimmermann in seinem Ansiedlungsver­trag vom 5.11.1753 (s. S. 24) unter 5. ausdrücklich bestätigt wurde, daß er die "Glaß-Brokken in Berlin und Potsdam aufkau­fen und nach der Glaß-Fabrique bringen dürfe." Diese Glas­brocken waren größtenteils zerschlagene Flaschen, die nun in

erheblichen Mengen in der Nähe des Schmelzofens auf nicht befestigtem Untergrund lagerten. So sind die jeweils untersten Scherben nie in den Schmelztiegel gekommen. Die Stellen der Flaschen, wo die Siegel saßen, waren doppelt stark, und so blie­ben viele solcher Stücke als Ganzes erhalten.

Frau A. Wagner in Neustrelitz hat in einer Arbeit über Glas­hütten die Frage anders zu beantworten versucht. Es wäre denkbar, daß eine Hütte mehr Flaschen hätte fertigen können, als sie zur Zeit Absatzmöglichkeiten hatte. Sie fertigte da­her im Auftrage einer andern Hütte, bei der die Verhältnisse umgekehrt lagen, und benutzte für diese Fertigung auch die Siegel der andern Hütte. Noch weniger als diese Lesart möch­te ich die andere gelten lassen. Jedes Hüttenarchiv besaß Musterkollektionen von dem Fertigungsprogramm anderer Hütten. Wenn schon - dann doch jeweils nur ein Stück jeder Art. Wir finden aber viele Siegel fremder Hütten.

3. Warum hatten die Flaschen überhaupt so ein Siegel?

Das Anbringen des Siegels war eine zusätzliche Arbeit und mußte folglich die Kosten erhöhen. Auch der Stempelschneider, der die Petschaft herstellte, mußte bezahlt werden. Es ist übrigens kaum anzunehmen, daß jede Hütte ihren Stempelschnei­der hatte. Wenn ich von dem Beispiel Alt Placht absehe, so sind die Siegel verschiedener Hütten in der Ausprägung der Buch­staben wie auch in der Zeichnung des Adlers so übereinstim­mend, daß ich daraus auf den gleichen Hersteller schließe. Eindeutig ist, daß die Siegel ein Herkunftszeichen waren wie etwa das "Made in Germany“. Ein Qualitätszeichen wie z.B. die gekreuzten Schwerter auf Meißner Porzellan konnten sie wohl kaum sein.

Mir sind aus der Literatur zwei Gründe für diese Glassiegel bekannt geworden. Hoff (Glashütten in der Neumark) berichtet, daß einem Glashüttenbesitzer die Konzession nur unter der Bedingung erteilt worden sei, daß er seinen Glaswaren, die er sämtlich nur im Ausland verkaufen durfte, ein besonderes

 

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Hüttenzeichen zu geben habe. Dem Besitzer, einem v. Glöden

in Stennewitz, mußte durch die Neumärkische Kammer eröff­net werden: "Sollten sich künftig in Landsberg oder wo­anders wieder Flaschen mit dem Stennewitzschen Hütten­zeichen finden, so seien sie sofort in Stücke zu zerschlagen und dem v. Glöden pro Stück 4 Gr. Strafe beizutreiben." Hier sollte also einerseits die übermäßige Konkurrenz der Hütten in der Neumark etwas gedämpft werden, wobei man an­drerseits den Export nicht einschränken wollte.

Einen andern Zweck verfolgte eine für Mecklenburg-Strelitz erlassene Verordnung. Wir lesen da: "Es ist in unserer Ver­ordnung vom 11.3.1767 den Inhabern sämtlicher in unserm Lande befindlichen ... Glashütten anbefohlen worden, daß sie zum Gebrauch hiesigen Landes keine andern Pottsbouteillen als solche, welche das eingeführte Pottmaß richtig enthalten und die mit einem Stempel, worauf die Worte Mec. l. Strelitz [unsicher] und unten Anfansbuchstaben des Namens des Vizemeisters befindlich, versehen sind, verfertigen... noch verkaufen sol­len. Wir befehlen auch sämtlichen Bürgermeistern, Richtern und Räthen in unsern Städten hiermit wiederholend gnädigst, über diese unsere Verordnung genau zu halten und allen

Fleiß dahin zu sehen, daß keine andere als die nach dem rectivizierten Pottmaß verfertigten Bouteillen von den Wirten, Wein- und Bierschenken gebraucht werden... und haben wir diese unsere Verordnung .. auch jeder der im Lande be­findlichen Glashütten zu dem Ende besonders zugehen lassen.


 

Neustrelitz 22.Februar 1792

Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg

 

 

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4. Zum Schluß möchte ich noch folgende Einzelheit erwähnen. Unter den in Annenwalde gefundenen Siegeln war auch eines mit der Inschrift "Pyrmont". Ich hielt dieses Stück für den Teil einer Flasche aus unserem Jahrhundert, die aus unbekannten Gründen nach Ahnenwalde gekommen war. Nun fanden aber Sammler aus Eberswalde bei ihren Grabungen in Chorin ein ganz gleiches Siegel. Da dieses Siegel in einer Schicht von Glasscherben unter der Erdoberfläche auf dem Gelände der ehemaliger Choriner Hütte lag, war kein Zweifel, daß auch dieses Stück aus den 18.Jchrhundert stammte. Herr Prof. Richter konnte belegen, daß Friedrich II. wegen seiner Gicht in Bad Pyrmont geweilt hatte. Es ist naheliegend, daß anschließend das heilkräftige Wasser in Flaschen nach Potsdam geschickt wurde. Die leeren Flaschen bzw. der Glasbruch kamen dann in die Hütten. Daß Brockes auch in Potsdam Glasbruch aufkaufen durfte, hatte ich schon erwähnt.

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