Unser Dorfplatz Annenwalde, Vorwerk Annenwalde, Densow, Alt und Neu Placht
 Unser DorfplatzAnnenwalde, Vorwerk Annenwalde, Densow, Alt und Neu Placht

2.3 Glasherstellung im allgemeinen und in Brandenburg

Bevor ich im Jahre 2002 zum ersten Mal nach Annenwalde kam, war mir die Glasherstellung aus verschiedenen Urlauben im Bayrischen Wald bekannt. Dort hat die Glasbläserei eine lange Tradition und wird immer noch in einem hohen Maße zu touristischen Zwecken genutzt. Besucher können in kleinen Betrieben die schwierige und unter sehr hohen Temperaturen stattfindende Arbeit von ein oder zwei Glasbläsern bewundern und anschließend diese Produkte oder andere Glasarbeiten erwerben. So war auch mein Wissen nur auf dieser Urlaubsbasis vorhanden. Die Bedeutung, gerade auch in der Historie, der Glasherstellung war mir unbekannt. Und trotz meiner Ausbildung zum Maschinenbau-Ingenieur hatte ich nur bruchstückhafte Kenntnisse von der Komplexität der Erzeugung von Glasprodukten. Einzig Besonderheiten wie das Venezianisches Glas oder die Schwierigkeiten bei der Herstellung von rotem Glas hinterließen einen bleibenden Eindruck.

Erst im Kontakt mit der Glashütte in unserem Dorf und natürlich mit der Geschichte von Annenwalde und die Recherchen zur Chronik ließen mir Stellenwert und Tragweite dieses Material bewusst werden. Und erst die Suche nach Artikeln über Glas und die Herstellung in Brandenburg zeigten mir, dass eine einigermaßen fundierte Behandlung dieses Thema den Rahmen dieser Aufzeichnungen sprengt. Beim Nachschlagen in Wikipedia findet man seitenlange Erklärungen mit Verweisen auf unzählige Unterthemen. Auch unser Chronist Reschke behandelt diesen Bereich nur sehr dezent. So werde auch ich hier die Glasherstellung lediglich in einer äußerst komprimierten Form darstellen. Mir ist allerdings auch bewusst, dass ohne eine zumindest grundlegende Kenntnis über Glas, seine Herstellung und Geschichte die Bedeutung von Annenwalde nicht vollständig begriffen werden kann. Ich werde also prüfen, ob ich in Zukunft dieses Thema noch einmal aufgreife und in einem gesonderten Artikel aufbereite.

Bei meinen Recherchen über Glasherstellung bin ich auf das “Themenportal Brandenburgisches Glas” gestoßen, auf dem über die Anfänge der Glasherstellung in der Mark Brandenburg nachlesen ist:
“Die Mark Brandenburg bot mit ihrem reichen Waldbestand und reinen Quarzsandvorkommen ideale Bedingungen für die Herstellung von Glas. Holz diente als Brennstoff für die Schmelzöfen und als Ausgangsprodukt für die Pottasche. Sie machte als Flussmittel die übrigen Rohstoffe, insbesondere die Hauptzutat Quarzsand, leichter schmelzbar. Eine erste brandenburgische Glashütte gründete Kurfürst Johann Georg mit angeworbenen böhmischen Glasmachern um 1575 in Grimnitz bei Joachimsthal. Insgesamt sieben Hütten vor Ort sind nachgewiesen. Scheiben- und Hohlglas, vorwiegend Gebrauchsglas, aber auch emailbemalte Flaschen und Wappenhumpen wurden hier gefertigt (Friese 1992, 14f.; Moehsen 1783, 144). Eine ähnliche Produktionsvielfalt weist die Hütte in Marienwalde (Bierzwnik) in der Neumark als zweite kurfürstliche Gründung ab 1607 auf. Sie bestand über 200 Jahre lang. Von beiden Standorten sind nur sehr wenige Gläser überliefert, die in direktem Bezug zu einem höfischen Auftrag stehen.”
„In der Uckermark, Neumark, Mittelmark und Prignitz stellten im 17. und 18. Jahrhundert rund 40 Hütten Flaschen, Scheiben, Trinkgläser und Vorratsgefäße aus Waldglas her, ein durch Eisenoxide in der Pottasche grünlich gefärbtes Glas mit kleinen Einschlüssen, um den Massenbedarf zu decken. Viele dieser Manufakturen erzeugten zudem Hohlglas aus farblosem Kreideglas. Das Sortiment reichte von einfachen und feineren Trinkgläsern bis zu emailbemalten Flaschen.”
Die Bedeutung des Werkstoffs Glas und seine Herstellung kann für das tägliche und Wirtschaftsleben kaum überschätzt werden. Glas wurde in einer Vielzahl von Einsatzgebieten verwendet. Dazu gehören:

  1. Haushaltswaren: Trinkgläser, Karaffen, Schalen und andere Küchenutensilien wurden aus Glas produziert. Die bedeutendste Anwendung finden wir aber in Flaschen zum Aufbewahren, Transport und Auftischen von Flüssigkeiten.

  2. Fenster: Im 18. Jh. kamen Glasfenster immer mehr in den allgemeinen Gebrauch. Besonders in öffentlichen Gebäuden und wohlhabenden Haushalten konnte dadurch Tageslicht in die Räume gelangen und gleichzeitig die Witterung ausgeschlossen werden.

  3. Spiegel: Diese mit Glasoberflächen versehenen Zeichen von Wohlstand fanden sich in Palästen und Bürgerhäusern.

  4. Kunst und Dekoration: Aus Glas wurden Vasen, Skulpturen und andere Kunstgegenstände gefertigt. Die Glaskunst erlebte eine Blütezeit.

  5. Medizin: Glasbehälter wurden für die Aufbewahrung von Arzneimitteln und chemischen Substanzen benötigt. Laborgeräte wie Reagenzgläser und Kolben bestanden aus Glas.

  6. Beleuchtung: Glas wurde in der Herstellung von Laternen und Lampen verwendet, um Licht zu verbreiten und zu schützen.
    Diese kleine Aufzählung unterstreicht, wie überaus wichtig Glas im 18. Jh. für das Alltagsleben als auch für Kunst und Wissenschaft war. Ab der Mitte des Jahrhunderts wurde Glas zum erschwinglichen Standard. Diese Glasprodukte entstanden in sogenannten Glashütten. Auf Grund ihres extrem hohen Holzverbrauchs als Energiequelle waren sie in waldreichen, entlegenen Orten angesiedelt. Viele dieser Manufakturen erzeugten zudem Hohlglas aus farblosem Kreideglas. (Kreideglas ist ein durch Zugabe von Kreide oder Kalk in die Schmelzmasse entstehendes Glas, welches auch bei dickeren Wandstärken noch kristallklar erscheint.) Das Sortiment reichte von einfachen und feineren Trinkgläsern bis zu emailbemalten Flaschen. Die Bedeutung der Glashütten für die brandenburgische Wirtschaft wird auch daraus ersichtlich, dass im 18. Jh. in diesem Gebiet mindestens 75 Glashütten existierten. Dies bedeutet bei einer anzunehmenden Einwohnerzahl von 600000 eine Durchschnittszahl von 1 Glashütte auf 8000 Bürger. Hieraus wird ersichtlich, dass man von einer Industrialisierung der Glasherstellung noch weit entfernt war.
    Als Waldglas bezeichnet man durch Eisenoxide grünlich gefärbtes Holzascheglas, das vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit (etwa vom 12. bis zum 17. Jahrhundert) nördlich der Alpen in Waldglashütten hergestellt wurde. Waldglas benennt auch die entsprechende Epoche der Glasgeschichte. Die Waldglasherstellung fand mit dem Ansteigen der Holzpreise ihr Ende. Grund dafür war der Rückgang an Waldflächen und der dadurch entstandene Mangel an Brenn- und Rohmaterial zum Betreiben der Schmelzöfen. Diese Öfen waren als Hafenofen ausgeführt, welcher die handwerkliche Herstellung von Glasartikeln erlaubte.
    Die Rohstoffe (zwei Gewichtsteile Pottasche (Kaliumcarbonat
    ), ein Teil Quarzsand) wurden gemischt und zunächst im sogenannten Fritteofen bei ca. 750 °C in 24 Stunden zur Fritte gekocht, wobei diese, sobald sie heiß wurde, gerührt werden musste, um nicht schmelzflüssig zu werden. Dieses Asche-Sand-Gemisch wurde nun als neues Gemenge im Schmelzofen bei ca. 1200 Grad in fünf Stunden zu Glas geschmolzen. Dieses handwerkliche Arbeitsvorgänge konnten ab der Mitte des 19. Jh. mit einer industriellen Fertigung zur Produktion größerer Stückzahlen kostenmäßig nicht mithalten. Auch wenn von der Holzbefeuerung der Schmelzöfen auf andere Energieträger wie Steinkohle umgestellt war, konnte der Kostennachteil der handwerklich erzielbaren Produktionsmengen nicht abgestellt werden.
    Über die Ökonomie der Waldglasherstellung kann man im Waldglas Material-Archiv https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1286?type=all&n=Hintergrund
    folgendes nachlesen:
    “Da der Kaligehalt (Anteil an Kaliumcarbonat resp. Pottasche) von europäischem Holz nur gerade zwischen 0,45 (Fichte) und 3,9 (Ulme) Promille liegt und der Pottaschenanteil je nach Glasart 40 bis 70% am Glasgemenge beträgt, erforderte die Herstellung von Pottasche sehr große Mengen an Holz. Für die Herstellung von 1 kg Glas wurden je nach Art und Zustand des Holzes, 1 bis 3 Festmeter Holz benötigt, und zwar 97% davon zur Gewinnung von Pottasche und 3% als Brennmaterial für den Schmelzofen. Der Holzbedarf einer einzigen Glashütte zur Herstellung von Pottasche und zum Heizen der Glasöfen betrug jährlich rund 2800-4200 m³, was einer Fläche von ca. 20-30 ha Wald entspricht.”

Hieraus wird ersichtlich, dass nicht die Heizenergie und damit das verfügbare Holz zum Heizen der Öfen sondern vielmehr die Beistellung des Rohstoffes Kaliumcarbonat in der Form von Pottasche der kritische Punkt in der Wirtschaftlichkeit darstellt. Dieser Ersatzstoff anstelle des erforderlichen Natron oder Soda für die Glasherstellung steht für 97% des Holzverbrauchs.
Im 18. Jahrhundert wurde Natron, auch bekannt als Soda oder Natriumkarbonat, hauptsächlich aus natürlichen Quellen gewonnen, insbesondere aus pflanzlichen Aschen, die reich an Natriumkarbonat waren. Diese Aschen wurden oft aus Pflanzen wie der Salzpflanze oder bestimmten Seegrasarten gewonnen.
Die Verfügbarkeit von Natron variierte je nach Region und den lokalen Ressourcen. In Europa war es vor allem in Küstenregionen und in der Nähe von bestimmten Pflanzenvorkommen leichter zugänglich. Brandenburg gehörte nicht zu diesen Regionen und da der Import von Rohstoffen der Politik des Merkantilismus von Friedrich II. im Gegensatz stand, musste auf Ersatzstoffe bzw. andere Verfahren ausgewichen werden. Dies limitierte natürlich die Effizienz der Glasherstellung.

Aus diesen letzten Absätzen geht hervor, dass die Glasproduktion ein Gebiet mit erheblicher Komplexität ist, bei denen einzelne Komponenten die Wirtschaftlichkeit der Herstellung sehr leicht ins Negative umschlagen lassen. Insofern war es vom Unternehmensgründer Zimmermann ein erhebliches Wagnis die Glashütte zu beginnen und gleichzeitig ein Dorf mit vielen Einwohnern aufzubauen. Er hat dies Vorhaben wohl auch nur in Angriff genommen, weil er sich einen entsprechenden Vorteil daraus versprochen hat. 

Druckversion | Sitemap
© Dorfplatz Annenwalde, Densow, Alt und Neu Placht